Eigensinn

Theoretisch hätte ich es wohl kaum anders erwarten dürfen. Ein Buch, in dem Aerios eine der tragenden Rollen spielt, kann nur eigensinnig sein. Ich kann machen, was ich will. Ich „plane“ in eine Richtung (soweit ich jemals wirklich plane), das Buch geht beim Schreiben in eine andere. Ich versuche, es wieder auf Kurs zu bringen und es geht wieder in die andere Richtung. Die Geschichte ist offenbar stärker als ich – sie tut schlicht und ergreifend, was sie will.

In einem gewissen Maß war das auch bei den anderen Büchern so, dass sie mal eine andere Abzweigung genommen haben als angedacht. Diesmal ist es aber sehr extrem ausgeprägt. Ich kann nur staunend hinterher stolpern und weiß am Morgen nicht, was ich zum Feierabend wirklich darin vorfinden werde. Entsprechend gehe ich jeden Tag mit einem gewissen Respekt und einer großen Portion Neugier an die Arbeit.

Wenn ich mich denn mal dazu überredet habe, loszuschreiben, läuft es meistens von ganz allein. An vielen Tagen gelingt es mir, eine recht hohe Seitenanzahl zu absolvieren, was an sich nichts Schlechtes ist. Oft läuft Angst dabei mit – das mulmige Gefühl, nicht zu wissen, wo man anfangen soll, auch, die falsche Abzweigung zu wählen. Man kann es mit der Angst vor dem weißen Blatt vergleichen, die in der Malerei keine Seltenheit ist. Es ist also täglich die Angst vor dem ersten Wort. Ist diese aber überwunden, geht alles voran.

Mein größtes Problem bleibt weiterhin der Spannungsbogen. Ich kann unmöglich entscheiden, ob der Verlauf spannend ist oder nicht. Da ich im Normalfall eine grobe Vorstellung davon habe, wie das alles enden wird und welche Zwischenstationen angelaufen werden müssen, kann ich selbst nicht erkennen, ob Spannung vorhanden ist. Das ist bei jedem Buch der Faktor, der für mich am schwierigsten ist. Darüber wird am Ende der Leser entscheiden müssen.

Bis dahin lasse ich mich über die Seiten treiben wie ein Blatt im Wind. Die Geschichte entscheidet selbst über ihren Verlauf und ich lasse sie mehr oder weniger laufen. Inzwischen verzichte ich sogar weitgehend auf Notizen und sehe einfach dabei zu, wie jeden Tag etwas Neues entsteht, mit dem ich zu Beginn wohl nie gerechnet hätte.