Es ist ein ganz seltsames Phänomen. Monatelang verbringt man jeden Tag und jede Nacht mit seinen Charakteren. Man ist auf einer gemeinsamen Reise, erlebt Dinge mit ihnen, lernt sie besser kennen. Man kennt jedes ihrer Gefühle, weiß, wie sie in einer Situation reagieren. Sie sind wie gute Freunde, vielleicht mehr als das, weil man in Freunde nicht hineinsehen kann. Und dann ist die letzte Seite geschrieben, die Korrektur beginnt … und plötzlich sind sie Fremde.
Das ist ein seltsamer Effekt, der mich diesmal stärker erwischt hat als bei anderen Büchern. Vielleicht, weil Lyân, Tristeyn und all die anderen die Tendenz haben, einem sehr ans Herz zu wachsen. Und damit meine ich auf eine andere Weise als Aerios, Aureanne und Sylveine, Viola und Ben oder Neah und Rhydan. Das „grüne Buch“ kommt mit einem ganzen Eimer von Charakteren, vielen Facetten von Freundschaft und Familie. Es ist weniger „nur“ auf die Hauptcharaktere konzentriert und dann doch wieder sehr stark.
Wenn man das Buch wieder von vorne beginnt, wirken sie fremd. Man lernt sie ebenso kennen wie später der Leser. Langsam, Seite für Seite. Entdeckt ihre Geschichten, ihre Freundschaften und ihre Vergangenheit. Das ist ein seltsames Gefühl, wenn man gerade das Ende hinter sich gelassen und das ganze Bild noch immer vor Augen hat. Daran musste ich mich auf den ersten Seiten erst wieder gewöhnen. An diese fremde, ruppige Lyân und den gequälten Tristeyn, der nach langer Zeit „nach Hause“ kommt. Andere Charaktere als jene, die ich am Ende zurückgelassen habe.
Entsprechend gab’s in den ersten drei Kapiteln ziemlich was zum Nachschleifen. Bisher halten sich die Fehler wieder in Grenzen – hier und da mal ein fehlender Buchstabe, mal ein nicht ganz ausgefeilter Satz. Aber das ist so weit nicht neu. Die meisten Fehler findet man ohnehin in Gang 2 (ja, dem Durchgang, den ich am meisten hasse). Es ist gruselig, wenn man weiß, wie lang der Weg noch ist, der vor einem liegt. Auf der einen Seite ist es schön – man will noch nicht loslassen, hält noch eine Weile an den Charakteren fest. Auf der anderen ist man ungeduldig und will das fertige Werk in der Hand halten. Es ist immer das gleiche Spiel … und es ist immer gleichbleibend anstrengend und zermürbend. 😉